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Eine Migration besonderer Art

„Nach Deutschland kommt man nicht so einfach”, erklärt Margarita Manjarrez Herrera vom kolumbianischen Konsulat in Berlin, „die Sprache ist schwierig, die notwendige wirtschaftliche Investition für einen Umzug hoch, und ein Visum zu erhalten kompliziert.”

Das war nicht immer so. Erst nachdem von 1999 bis 2001 etwa 600.000 Kolumbianer infolge der bürgerkriegsähnlichen Zustände ihr Land verließen und es in Europa vermehrt zu illegalen Einwanderungen gekommen war, führten die Schengenstaaten die Visumpflicht für verschiedenen Länder Lateinamerikas ein, darunter auch Kolumbien.

„Für den Wirtschaftsemigranten, der auf der Suche nach Arbeit ist, ist Deutschland in der Regel keine Option. Kolumbianer kommen hier hin, weil sie an deutschen Schulen unterrichtet wurden, oder weil sie Familienbande unterhalten, oder über einen Arbeitsvertrag verfügen, und viele nehmen an einem studentischen Austauschprogramm teil”, erklärt Manjarrez Herrera.

Studenten, Asylanten, Ehefrauen

Im Jahr 2009 lebten laut dem Statistischen Bundesamt 10.182 Kolumbianer auf deutschem Boden; die Mehrheit von ihnen verteilt sich auf die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. Diese Zahlen beinhalten nicht die in Deutschland eingebürgerten Kolumbianer (313 allein im Jahr 2009) und naturgemäß auch nicht die Personen ohne offizielle Aufenthaltserlaubnis.

Viele der Kolumbianer in Deutschland sind Studenten. Unter den Lateinamerikanern, die in den Genuss eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes kommen, bilden Kolumbianer die drittgrößte Gruppe, nach Brasilianern und Mexikanern.

Etwa 70% der kolumbianischen Einwohner Deutschlands sind Frauen, zum größten Teil mit Deutschen verheiratet. Dies bestimmt auch die Art von Fragen, wegen derer Kolumbianer im Allgemeinen beim Konsulat nach Rat suchen: „Da geht es um Scheidungen und Vormundschaften für Kinder, denn viele Kolumbianer sehen sich im Falle einer Scheidung von der deutschen Justiz benachteiligt. Außerdem gibt es auch einige Fälle von häuslicher Gewalt”, sagt Manjarrez Herrera.

Kriminalität und Prostitution?

Entgegen dem Klischee der gewalttätigen Drogennation und der verbreiteten Vorstellung, nach der Kolumbianer besonders häufig mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden, „haben wir sehr wenige Verhaftungen”, versichert Herrera. Übereinstimmend mit Angaben deutscher Ämter befanden sich im Jahr 2009 unter den mehr als 540.000 landesweit Verurteilten nur 139 Kolumbianer.

Juanita Henning, eine der Gründerinnen der Organisation Doña Carmen e.V., eines Vereins für Hilfe und Beratung von Prostituierten, hat sich mit dem Thema Prostitution in Bezug auf Kolumbianer in Deutschland befasst und dabei starke Veränderungen beobachtet: „1996 waren 71% der Prostituierten in Frankfurt Lateinamerikanerinnen, 42% davon Kolumbianerinnen und von diesen lebten 90% in ungeregelten Verhältnissen. Mit der Einführung der Visumspflicht in 2001 reduzierte sich diese Zahl und nach massiven Polizeirazzien im Jahr 2006 sank sie noch einmal. Heute unterscheidet man schon nicht mehr zwischen Nationalitäten: 47% stammen aus Lateinamerika und 99% besitzen Papiere.”

Steht eine vierte Welle bevor?

Im Laufe der vergangenen fünfzig Jahre hat man in Kolumbien drei Auswanderungswellen beobachtet. Eine in den 60er und 70er Jahren, vornehmlich in die USA. Eine weitere in den 80er Jahren, die sich auf Länder wie Venezuela und Ecuador richtete. Und die dritte in den 90er Jahren, die Hauptrichtung damals war Spanien.

Bald könnte es eine vierte Welle geben. „Es ist zu früh, um das zu sagen, doch es herrscht eine gewisse Bewegung von den EU-Staaten, die von der Wirtschaftskrise gebeutelt sind, darunter Spanien, Italien und Griechenland, hin zu stärkeren europäischen Wirtschaftsstaaten wie Deutschland”, deutet Manjarrez Herrera an. „Am 31. Oktober 2010 hat Lufthansa den Direktflug Frankfurt-Bogotá eingeführt. Dies könnte eine Tür zur legalen oder illegalen Auswanderung öffnen.”

Autor: Luna Bolivar Manaut
Lektorat: Hans Christian Ostermann

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