Der Journalist Ranga Yogeshwar, der Trainer des Bundesliga-Clubs Bayer Leverkusen Robin Dutt und der Sänger Xavier Naidoo haben eines gemeinsam: sie alle haben indische Wurzeln.
Die deutsch-indischen Beziehungen reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, als die Augsburger Familie Fugger die ersten Handelskontakte nach Indien knüpfte. Die kulturelle Vielfalt Indiens wurde vom deutschen Nationaldichter Johann Wolfgang von Goethe bereits im 19. Jahrhundert gepriesen. Doch das eigentliche Kennenlernen begann erst, als Indien 1947 von Großbritannien unabhängig wurde und 1949 die Bundesrepublik Deutschland entstand. Politiker beider Seiten loben heute die strategische Partnerschaft. Wirtschaftlich betrachtet ist Deutschland innerhalb der Europäischen Union Indiens wichtigster Handelspartner. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel stieß bei ihrem Besuch in Indien 2008 noch in einem weiteren Bereich vor, in dem die Zusammenarbeit ausgebaut werden soll: die Wissenschaft. Derzeit studieren nur etwa 5000 Inder in Deutschland. Und in Deutschland leben derzeizt auch nur etwa 45 000 Inder – im Vergleich zu den mehr als zwei Millionen Türken in Deutschland eine verschwindend geringe Zahl.
Bereits in den 1950er und 1960er Jahren waren viele junge Inder nach Deutschland, gekommen, um hier zu studieren: vor allem Medizin und Naturwissenschaften. Deutschland galt zu dieser Zeit weltweit führend in den Bereichen Wissenschaft und Technologie. Viele dieser Akademiker blieben hier. Sie integrierten sich problemlos und bauten sich eine gesicherte und anerkannte Existenz als Ärzte, Wissenschaftler und Ingenieure auf. In den 1970er Jahren waren es vor allem Krankenschwestern und Nonnen aus Kerala in Südindien, die von katholischen Einrichtungen nach Deutschland geholt wurden.
In den 1980er Jahren wurde das Bild der in Deutschland lebenden Inder von den Sikhs geprägt, Angehörige einer im 15. Jahrhundert in Nordindien gegründeten Glaubensgemeinschaft, deren männliche Vertreter einen Turban tragen. Viele von ihnen suchten in Deutschland Asyl. Sie gaben an, in Indien aufgrund ihres Glaubens verfolgt zu werden. Doch die deutschen Behörden glaubten ihnen meist nicht. So blieb den zumeist jungen und wenig qualifizierten Männern nur übrig, entweder eine deutsche Staatsbürgerin zu heiraten, um sich das Aufenthaltsrecht zu sichern oder illegal unterzutauchen. So entstanden vor allem im Frankfurter Raum starke Sikh-Gemeinschaften, die bis heute bestehen.
Bis vor wenigen Jahren war das Indienbild der Deutschen recht diffus und vor allem von den gängigen Klischees geprägt: Mahatma Gandhi, die heiligen Kühe, Armut und Räucherstäbchen. Dieses Bild wandelte sich erst, nachdem Indien vor mehr als zwanzig Jahren eine radikale Liberalisierung seiner Märkte einleitete. Dies führte zum heutigen Wirtschaftswachstum von durchschnittlich acht Prozent in den vergangenen Jahren und zu einem Aufschwung innerhalb der größten Demokratie der Welt. Weltweit wird Indien inzwischen nicht mehr als Entwicklungsland gesehen, sondern als kommende Supermacht. Selbstbewusst fordert Indien daher sogar einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Seit Jahren buhlt Deutschland um die sogenannten „Computer-Inder“- junge, in den Hochburgen Bangalore oder Hyderabad exzellent ausgebildete, mehrere Sprachen sprechende IT- und Telekommunikationsfachleute. Bundeskanzler Gerhard Schröder führte 2001 die sogenannte Green Card ein, mit durchwachsenem Erfolg. Vielen Fachkräften erscheinen die USA oder Großbritannien als klassische Einwanderungsländer und mit Englisch als Landessprache attraktiver als Deutschland. Die Äußerungen des CDU-Politikers Jürgen Rüttgers, die als „Kinder statt Inder“- Slogan berühmt wurden, verunsichern viele Fachkräfte aus Indien bis heute.